Benediktshof Münster

Geführtes Zeichnen - von innen heraus sich führen lassen - eine Spur wird sichtbar

Vielleicht erinnere ich mich auch, dass es da in meinem Leben schon Momente gab, wo ich mich auf eine ganz besondere Weise eins mit mir erlebt habe, ohne erkennbaren äußeren Grund, ganz still und tief mit mir und in mir. Glücklich, reich beschenkt, in mir ruhend ...
Es mögen Augenblicke der Stille sein, Augenblicke, in denen ich vom tiefen Wissen um die eigene innere Wahrheit erfüllt war, Momente, in denen ich in der Begegnung mit der Natur oder mit einem anderen Menschen tief berührt war. Auch Momente, in denen ich von dieser anderen Qualität des in der Welt-Seins so erfüllt bin, dass andere Sorgen und Nöte durch das Erfahren einer inneren Kraft und Zuversicht an Brisanz verlieren.

Dürckheim spricht hier von ‚Seinsfühlungen’, in denen wir mit der Tiefe unseres Wesens in Fühlung kommen – wo wir die geistig transzendente Dimension unseres Lebens erfahren. Er spricht vom „Tor zum Geheimen öffnen“ und „das Geheime ist der Mensch selbst in seinem Kern, in seinem Wesen“. Mit diesem Wesenskern in Berührung zu kommen, sich selbst in der Tiefe seines Wesens zu erfahren, erlösend zu erfahren und diesem zu Wachstum und Erfüllung in der Welt zu verhelfen, darin besteht die eigentliche Aufgabe des Menschen in seinem Leben.

Für die Arbeit am Benediktshof möchte ich Ihnen/Dir im Folgenden ein zentrales Medium der Initiatischen Therapie nach Dürckheim vorstellen. Maria Hippius Gräfin Dürckheim entwickelte das Geführte Zeichnen zu einer therapeutischen Methode für die seelenheilkundliche Begleitung des Menschen.

Foto5 Zeichnung offener Kreis © Benediktshof Münster

Durch sogenannte ‚Urformen des Seins’, Urgebärden und Urformeln des menschlichen Seins (z.B. Schale, Kreis, Welle, Spirale, Dreieck, Quadrat), meditativ vollzogen, ist es möglich mit der in dieser innewohnenden Werde- und Schöpfungskraft in Kontakt zu kommen und einen Entwicklungs- und Entfaltungsprozess anzureizen. „Wie ein Samenkorn durch entsprechende äußere Bedingungen ‚gereizt’ werden kann, zu keimen und seine latente Energie zu entfalten, lässt sich auch der seelische Prozess des Menschen systematisch anreizen und so seine verborgene Schöpfungs- und Seinskraft wecken.“ (vergl. Gisela Schöller, Heilung aus dem Ursprung). Was an Ursprünglichem im Menschen angelegt ist, wird durch das Zeichnen evoziert. Entgegen wirken aber auch vielerlei Widrigkeiten, alte Verletzungen, Ängste und Verdrängtes – der sogenannte Schatten des Menschen.
Der Zeichenprozess gewährt dem Unbewussten Raum, es wird sowohl Verschüttetes, aber auch noch nicht Erkanntes sichtbar und wird, unter ganzheitlich tiefenpsychologischen Gesichtspunkten, ins begleitende Gespräch genommen.

 

Konkret in der Einzelstunde Foto7 Schmetterling © Benediktshof Münster
Ein großer leerer Bogen Papier und zwei Kohlestifte!
Als Begleiterin in diesem Prozess lade ich zunächst ein, lauschend nach innen zu spüren und sich im Leib wahrzunehmen. Durch diese Hinwendung zum Leib und zum Innerseelischen wird innere Bewegung spürbar.
Da gibt es etwas Tieferes in mir – etwas Unbedingtes – das erfahrbar werden kann, und dessen Führung wir uns jetzt in der Einzelarbeit überlassen können.
Die Hände berühren, ertasten zunächst das Papier – diese Berührung kann mich z.B. ganz still werden lassen, ganz tief atmen lassen, mich ankommen lassen. Ausgehend von einer der Urformen des Seins, z.B. der Schale, kann nun der Zeichenprozess beginnen. Gezeichnet wird mit geschlossenen Augen, einen Kohlestift in jeder Hand ...
Der Zeichnende wird mehr und mehr hineingenommen in diese Bewegung und in diese Gebärde der Schale, die sich im Zeichnen entwickelt / entwickeln will.

 

Foto5 Zeichnung offener Kreis © Benediktshof MünsterDie Schale, vielleicht groß und weit wie das Papier oder ganz klein und zentriert; weit offen oder eher geschlossen; zart, durchscheinend, federleicht oder kraftvoll, hart, dunkel, schwer. In jedem Strich ist der ganze Mensch anwesend, mit seiner biographischen Ebene, seinem ganzen Leben und seinem ganzen Sein. Absichtslos und ohne die Kontrolle der Augen und der Bewertung durch den Verstand formt sich beständig seine ganz eigene, ganz einzigartige Schale.

Der Zeichnende wird immer durchlässiger für diese Innere Führung. Um der Wahrnehmung einer tieferen Wirklichkeit willen kann er das „bewusste Ich“ mit allen Gedanken und Bewertungen vorbeiziehen lassen um innere Bewegung auf dem Papier ins Sichtbare kommen zu lassen.

Das Geführte Zeichnen bezieht den Körper von Anfang an in die Wahrnehmung mit ein, es ist deshalb eine Form der Leibarbeit. Graf Dürckheim sprach vom Körper, den ich habe, und dem Leib, der ich bin. So ist das ganze Geschehen beim Geführten Zeichnen nicht nur unmittelbar körperlich wahrnehmbar, sondern immer auch ein ganzheitlich Leib-Seelisches Geschehen.

Foto 6 Zeichnung Striche © Benediktshof MünsterAnschließend kann der Zeichnende mit dem Herausgesetzten / dem sichtbar Gewordenen in einen Dialog treten, wobei der erfahrene Therapeut ihn begleitet. Das im Zeichenprozess spürbar und erfahrbar und im Bild sichtbar gewordene, überschreitet das „nur Verbale“. Kräfte aus dem Unbewussten werden erfahrbar und können auf diese Weise mehr und mehr ins Bewusste – Sein genommen werden. Der Zeichnende nimmt etwas sichtbar Gewordenes /seine Zeichnungen mit nach Hause. Er kann sie wieder und wieder betrachten, auf sich wirken lassen, den Dialog fortsetzen. Und vielleicht erschließt sich ihm mehr und mehr die Bedeutung der aus der eigenen Tiefe entstandenen Bilder.

 

 

 

 


Meine eigene Erfahrung

Ich erinnere mich noch an eine meiner frühen Einzelstunden im Geführten Zeichnen in den achtziger Jahren im Dürckheim-Zentrum im Schwarzwald. Damals noch nicht wirklich verstehend, was das soll und warum ich das eigentlich tue. Die Stunde begann mit dem Zeichnen der Schale, immer wieder, meditativ wiederholend und hineinspürend. Das tat mir irgendwie gut. Doch plötzlich geschah von innen heraus eine ganz andere Bewegung – die ‚Senkrechte’. Ich wusste nicht, warum, es geschah einfach. Die Schale hatte sich deutlich wohliger und aufgehobener angefühlt als diese ‚Senkrechte’. Ich versuchte ganz bewusst in den Prozess einzugreifen und wieder zur Schale zurück zu kehren, ins Wohlige – aber das ging nicht! Anscheinend war innerlich etwas geschehen, wohinter ich nicht mehr zurück konnte. Das hat mich damals wirklich sehr beeindruckt!
Da gibt es ganz offensichtlich etwas Tieferes in mir – etwas Unbedingtes – das ich früher bereits auf andere Art kennengelernt hatte und nun wiedererkannte. Jetzt hatte ich es sogar im Zeichnen erfahren und erlebt, dass das Geführte Zeichnen ein Weg ist, mit dieser inneren Führung aus meinem Wesenskern in Kontakt zu kommen.

Marianne Schemmer